Das VG Ansbach entschied im März 2022 zur Zulässigkeit von Videoüberwachung in Fitnessstudios. Die Betreiberin des Studios wehrte sich mit ihrer Klage gegen eine behördliche Anordnung, die Videoüberwachung im Bereich der Trainingsflächen zu unterlassen. Das Gericht kam im Rahmen der Abwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zu dem Ergebnis, dass die Interessen der Mitglieder an einem nicht überwachten Training sowie der Schutz ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dem Interesse der Betreiberin an Diebstahlschutz vorgehen. Es konkretisiert die im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigenden Belangen beider Parteien und stellt damit für die Praxis hilfreiche Leitlinien auf.
Dem Urteil des VG Ansbach vom 23.03.2022, lag der folgende Sachverhalt zu Grunde: In dem Fitnessstudio der Klägerin wurde der gesamte Theken- und Trainingsbereich videoüberwacht. Die mittels sechs fest installierter Videokameras angefertigten Aufzeichnungen wurden für eine Dauer von 48 Stunden gespeichert und anschließend gelöscht. Auf die Videoüberwachung wurde durch entsprechende Hinweisschilder an der Eingangstür des Studios hingewiesen. Laut Aussage der Klägerin war die Videoüberwachung zur Prävention und Aufklärung von Diebstählen, Sachbeschädigungen und auch sexuellen Übergriffen notwendig.
Die zuständige Behörde untersagte dem Fitnessstudio diese Videoüberwachung: Es fehle an einer Erlaubnisgrundlage. In Betracht kamen berechtigte Interessen nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f DSGVO. Ob diese hier vorliegen und nicht von gegenläufigen Betroffenenrechten überwogen werden, prüfte das VG schulbuchmäßig:
- Berechtigte Interessen: Die Prävention und Verfolgung von Diebstählen und Sachbeschädigung ist ein schutzwürdiges und daher auch „berechtigtes Interesse“ im Sinne der Norm. Auch das Anliegen der Trainierenden, von einem Fitnessstudiobetreiber vor Diebstählen und Übergriffen geschützt zu werden, ist ein objektiv begründbares Interesse Dritter i.S.d. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f DSGVO und damit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen.
- Erforderlichkeit: Zwar mag die Videoüberwachung einigen Trainierenden ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Allerdings haben die Mitglieder eines Fitnessstudios das Risiko von Diebstählen weitgehend selbst in der Hand, indem sie ihre Wertsachen nicht unbeaufsichtigt im Trainingsbereich liegen lassen oder diese sicherheitshalber in Spinden verschließen können. Eine Videoüberwachung zur Vermeidung von Diebstählen ist also nicht zwingend erforderlich.
Der Klägerin stünden zudem weniger eingriffsintensive Maßnahmen zur Verfolgung ihrer Interessen zur Verfügung. So könnte sie das Personal aufstocken, um eine bessere Aufklärung von Diebstahls- und Sachbeschädigungstaten zu erreichen. Auch könnte sie in Diebstahlschutz an den Fitnessgeräten investieren.
- Gegenläufige Interessen der Betroffenen: Die Videoüberwachung stelle einen gravierenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG dar. Auf Seiten der Trainierenden müsse berücksichtigt werden, dass die Videoüberwachung durchgehend während der gesamten Öffnungszeiten und auf allen Trainingsflächen erfolgt. Freizeitaktivitäten und die soziale Interaktion mit anderen sind gerade als Kernbereich von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt, sodass der mit der Videoüberwachung einhergehende Verlust der Unbefangenheit erheblich ins Gewicht falle. Dieser Eingriff betreffe zudem eine erhebliche Anzahl von Personen, ohne dass ihnen eine Ausweichmöglichkeit zukommt. Das Gericht führt hier auch den Erwägungsgrund 47 der DSGVO an, nach dem in der Regel die Interessen und Grundrechte der betroffenen Personen überwiegen, wenn die Daten in Situationen verarbeitet werden, in denen man damit nicht zu rechnen braucht. Mit einer die gesamten Trainingsflächen betreffenden, rund um die Uhr Videoüberwachung in einer öffentlich zugänglichen Freizeiteinrichtung müssten die Trainierenden gerade nicht rechnen.
Im Ergebnis überwiegt nach der Entscheidung des Gerichts das Interesse der Trainierenden, in ihrer Freizeit ungestört und unbeobachtet trainieren zu können. Das Gericht verneinte auch die von der Klägerin vorgetragene Vergleichbarkeit mit der im Einzelhandel üblicherweise vorgenommenen Videoüberwachung der gesamten Fläche. Zum einen sei der Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung hier geringer, da der Einkauf im Supermarkt eine weniger private Angelegenheit als das hobbymäßige Trainieren im Fitnessstudio sei. Zum anderen sei das Diebstahlsrisiko durch die erhebliche sowie schnell wechselnde Anzahl von Kunden, den kleinen Gegenständen und leichten Verstauungsmöglichkeiten dort weitaus höher. Das Risiko, dass es durch Diebstähle oder Sachbeschädigungen zu Schäden für das Unternehmen kommt, müsse die Klägerin also hinnehmen, wenn sie nicht bereit sei, in bessere Sicherheitsvorkehrungen oder entsprechende Versicherungen zu investieren.