Daten für die Forschung: Hilft das Forschungsdatengesetz?

Bald soll es kommen: Das Forschungsdatengesetz. Das neue Gesetz soll bei datenbasierter Forschung unterstützen. Durch Zugangsansprüche zu Datensätzen in der öffentlichen Hand, neue Plattformen zur Vernetzung von Daten und Forschenden und datenschutzrechtlichen Anpassungen sollen bisher bestehende Hürden verkleinert werden. Die wesentlichen Eckpunkte wurden jetzt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung veröffentlicht. Wir haben diese für Sie zusammengefasst und eingeordnet.

Daten bilden zunehmend die Grundlage wissenschaftlicher Forschung. Dennoch sind erhebliche Datensätze für die Forschung bislang kaum zugänglich. Dies gilt sogar für Daten der öffentlichen Hand, deren Verfügbarkeit einen großen Nutzen für Forschende bringen würde.

Derzeit gibt es aber kaum sicheren Zugang zu diesen Daten. Der Data Governance Act bringt keinen Zugangsanspruch: Dies war diskutiert worden, aber nicht einigungsfähig. Wir haben dazu hier berichtet.

Dass der Zugang nicht frei ist, ist auch rechtlich begründet: Datenschutz und Geheimnisschutz spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle und auch die teils schwierige Auffindbarkeit der passenden Datensätze verhindern eine effektive Verwertung. Trotzdem soll das Potential dieser großen Datenmengen für Forschungszwecke besser ausgeschöpft werden, unter Beachtung geltender Schutzvorschriften.

Um dies zu verwirklichen, nahm sich die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag vor, ein Forschungsdatengesetz (FDG) sowie weitere Vorhaben (Gesundheitsdatennutzungsgesetz, Europäischer Forschungsdatenraum) auf den Weg zu bringen.

Ziel des FDG ist es, den Zugang zu und die Nutzbarkeit von Daten für die wissenschaftliche Forschung zu erleichtern, ohne auf bestimmte Sektoren beschränkt zu sein. Dazu soll zum einen ein sog. Micro Data Center etabliert werden. Zum anderen sollen Zugangsansprüche für Forschende sowie datenschutzrechtliche Erleichterungen geschaffen werden.

Letzteres ist hoch spannend, bietet die DSGVO doch gerade für den Bereich der Forschung durchaus Spielräume für nationale Regelungen, die den Datenschutz forschungsfreundlich gestalten: Dies erfordert Rechtssicherheit (klare Regelungen!) und präzise Erlaubnisse.

Noch ist das ordentliche Gesetzgebungsverfahren nicht gestartet, das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) will jedoch, dass das FDG noch in dieser Legislaturperiode in Kraft tritt. Ein Eckpunktepapier beschreibt die vorgesehenen Inhalte des geplanten Gesetzes.

Erleichterte Auffindbarkeit von Forschungsdaten

Der erste Schritt zur Auswertung von Daten zu Forschungszwecken ist notwendigerweise die Beschaffung dieser Daten. Das kann bisweilen ziemlich aufwändig und schwerfällig sein. Um die Datenbeschaffung zu erleichtern, sollen öffentliche Forschungseinrichtungen im FDG verpflichtet werden, sog. Metadatenkataloge zu erstellen. Darunter verstehen sich systematisch errichtete Kataloge von Daten, die die bestehenden Daten beschreiben (Metadaten) – nicht zu verwechseln mit den eigentlichen Forschungsdaten!

Die Verpflichtung trifft allein öffentliche, also institutionell geförderte Forschungseinrichtungen. Unternehmen und Hochschulen sollen dabei nicht außen vor bleiben, sondern die Möglichkeit erhalten, freiwillig Metadatenkataloge zu erstellen. Zusätzlich soll eine Metadatenplattform als erste Anlaufstelle einen Überblick über die verschiedenen Metadatenkataloge bringen. Die Plattform kann Forschenden auch bei der Vernetzung untereinander und mit Unternehmen helfen und so neue Forschungskooperationen entstehen lassen.

Das BMBF will diese Systematisierung sehr nutzerfreundlich gestalten und sieht ein großes Potenzial für die Wissenschaft darin. Das wird jedoch nur funktionieren, wenn die entsprechenden Regelungen nicht zu kompliziert formuliert werden und auch möglichst viele Einrichtungen tatsächlich Metadatenkataloge erstellen.

Zugangsansprüche zu Daten der öffentlichen Hand

Im FDG sollen gesetzliche Ansprüche von privaten sowie öffentlichen Forschungseinrichtungen und Hochschulen auf Daten der öffentlichen Hand festgelegt werden. Unter solche Daten fallen beispielsweise statistische Daten, Registerdaten oder Daten im Zusammenhang mit staatlichen Leistungen oder Einwanderung und Migration. All diese Daten wären für verschiedenste Forschungsbereiche äußerst hilfreich und sind oft nur schwer bis gar nicht zugänglich.

Genau diese Zugangsansprüche fehlen bislang: Geregelt ist auf EU-Ebene nur, unter welchen Bedingungen der Zugang zu gewähren ist, wenn er denn gewährt wird (insbesondere im Data Governance Act, siehe oben).

Aus dem Eckpunktepapier des BMBF geht hervor, dass es unter anderem einen Zugangsanspruch auf Statistikdaten geben soll und auch eine Regelung zu einem Online-Zugang zu personenbezogenen (formal anonymisierten) Daten in Planung ist. Zudem soll die Verknüpfung von statistischen Daten zu Forschungszwecken erleichtert werden und das Statistische Bundesamt soll insgesamt stärker auf die Forschung ausgerichtet werden. Ob diese Vorhaben im FDG oder im ebenfalls erwähnten Bundesstatistikgesetz verankert werden sollen, ist nicht ganz eindeutig. Dies wird der Referentenentwurf zeigen.

Daneben soll es generelle Datenzugangsansprüche geben, die den Zugriff beispielsweise auf Registerdaten, Daten im Zusammenhang mit staatlichen Leistungen oder Einwanderung und Migration im Besitz öffentlicher Stellen ermöglichen sollen. Bestehende bereichsspezifische Regelungen bleiben dabei weiterhin vorrangig. Außerdem sollen diese Ansprüche im Einklang mit der aktuellen EU-Gesetzgebung wie der Open-Data-Richtlinie und dem Data Governance Act (DGA) stehen.

German Micro Data Center

Eine weitere Neuerung ist das sog. German Micro Data Center. Es handelt sich dabei um eine zentrale Datentreuhandstelle, über die Forschende einen erleichterten Zugang zu Statistik- und Registerdaten erhalten sollen. Ohne großen Aufwand können so forschungsrelevante Daten unter sicheren Bedingungen beschaffen und anschließend verwertet werden (One-Stop-Shop). Darüber hinaus soll das Micro Data Center weitere Schlüsselfunktionen, wie die Verknüpfung von Daten aus verschiedenen Quellen, ermöglichen. Hinsichtlich der genauen Durchführung wird das BMBF ermächtigt, die Organisation dieser zentralen Datenvermittlungsstelle durch Rechtsverordnung zu bestimmen. In Österreich und den Niederlanden existiert so eine Datenvermittlungsstelle bereits und hat die Forschung deutlich vorangebracht. Möglicherweise kann sich bei der Organisation also schon an bestehenden Modellen orientiert werden.

Datennutz vs. Datenschutz

Bei all den beabsichtigten Vorteilen für die Forschung darf natürlich der Schutz personenbezogener Daten, die von Forschenden genutzt werden wollen, nicht außen vor bleiben. Dem begegnet das BMBF in seinem Eckpunktepapier einerseits damit, technisch organisatorische Maßnahmen ins FDG aufzunehmen, um Risiken für Datenschutzverletzungen zu verhindern – vor allem mit Blick auf das Micro Data Center (s.o.). Hierzu sind zusätzlich Regelungen im Datenschutzrecht geplant, die die entsprechenden Rahmenbedingungen und Befugnisse für die sichere Nutzung dieses Vorhabens schaffen sollen.

Andererseits sollen datenschutzrechtliche Unsicherheiten beseitigt werden, um Forschende zu ermutigen, auch personenbezogene Daten in ihre Arbeit mit einfließen zu lassen, auszutauschen und zu verknüpfen. Es gibt in der DSGVO schon Spielräume für nationale Regelungen, die bisher jedoch noch nicht ausreichend zugunsten der Wissenschaft ausgenutzt worden sind. Das FDG soll hier anknüpfen und beispielsweise durch neue Erlaubnistatbestände Rechtssicherheit bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu Forschungszwecken schaffen. Solche Rechtsgrundlagen soll es ebenfalls für sensible personenbezogene Daten wie Gesundheitsdaten oder (sensible) personenbezogene Daten in der öffentlichen Hand (s.o.) geben. Daraus lässt sich der Wille des BMBF entnehmen, für die potenziell zur Forschung nutzbaren Daten rechtliche Erlaubnisse festzulegen, die sich dennoch in den Grenzen des von der DSGVO Erlaubten halten.

Im Hinblick auf die Datenschutzaufsicht soll für länderübergreifende Forschungsvorhaben eine Erleichterung eintreten. Bei mehreren beteiligten Forschungseinrichtungen, die nicht gemeinsam Verantwortlich (vgl. Art. 26 DSGVO) sind, soll nur eine Aufsichtsbehörde als die Zuständige bestimmt werden.

… im Einklang mit dem EU-Recht

Wie schon erwähnt, sollen neue Datenzugangsansprüche mit den Open Data Bestrebungen wie dem DGA korrespondieren. Ein Schwerpunkt des DGA ist die Regulierung von Bedingungen für die Weiterverwendung von Daten im Besitz öffentlicher Stellen und die bessere Verfügbarkeit dieser Daten. Hierbei wird kein Anspruch auf Datenzugang festgelegt, sondern vielmehr das „Wie“ der Zugangsgewährung. Für das „Ob“ gibt es Anspruchsnormen in nationalen Gesetzen – wie bald im FDG. Dort kann sich eine Schnittstelle von FDG und DGA ergeben. Allerdings nur, wenn es sich um die vom DGA erfasste Datenkategorien handelt. Erfasst sind vom DGA nur besonders geschützte Daten, z.B. wegen Personenbezug (Datenschutz), Geheimhaltung oder geistigem Eigentum.

Ein Zugangsanspruch im FDG berührt also erst dann den DGA und muss in seiner Durchführung die Vorgaben des DGA einhalten, wenn Zugang auf Daten der o.g. Art verlangt wird. Ist das der Fall, sind bei der Datenweitergabe nichtdiskriminierende, transparente, verhältnismäßige und objektiv gerechtfertigte Bedingungen anzuwenden (Art. 5 DGA). Der DGA soll nationale Regelungen, die genauere Bedingungen für die Weiterverwendung von Daten öffentlicher Stellen festlegen, unberührt lassen (EG 11).

Hier besteht also Gestaltungsspielraum für den deutschen Gesetzgeber: Er muss die Vorgaben des DGA nur „mindestens“ beachten. Konkreter, präziser und fairer können die Bedingungen ausgestaltet werden.

Daneben könnte auch ein weiterer Abschnitt des DGA relevant werden: Betrachtet man die geplanten Metadatenkataloge sowie die zugehörige Metadatenplattform, kommen einem die im DGA genannten Datenvermittlungsdienste in den Sinn. Ein Datenvermittlungsdienst ist dazu da, die gemeinsame Datennutzung zwischen einem Dateninhaber und einem Datennutzer zu ermöglichen. Das kann auch in Form einer Plattform der Fall sein, über die Datenaustausch und -nutzung ermöglicht werden – was bei der Metadatenplattform und auch dem Micro Data Center intendiert ist (vgl. Art. 10 lit. a) DGA). Maßgeblich ist allerdings auch, dass eine Geschäftsbeziehung zwischen Dateninhaber und Datennutzer hergestellt werden soll (Art. 2 Nr. 11 DGA). Das lässt sich bei einer Plattform, die lediglich die Auffindbarkeit von Daten erleichtern soll, doch anzweifeln. Fehlt eine solche Intention einer Geschäftsbeziehung, ist auch der Anwendungsbereich des DGA nicht eröffnet und die Anforderungen an Datenvermittlungsdienste gelten nicht für die im FDG geplanten Plattformen.

Ausblick

Mehr Daten für die Forschung sind essentiell, gerade auch, um den Forschungsstandort Deutschland dynamisch, innovativ und wettbewerbsfähig zu halten. Vorgaben für Bedingungen, zu denen Zugang zu Daten gerade bei öffentlichen Stellen gewährt wird, sind EU-weit und national in den letzten Monaten und Jahren ausreichend geschaffen worden. Was fehlt, ist der essentielle ANSPRUCH, das „OB“ des Zugangs. Genau dieses sollte jetzt mit dem FDG kommen. Schon das Gesundheitsdatennutzungsgesetz war ein Schritt in die richtige Richtung. Das FDG hat das Potential, der große Wurf zu werden. Hoffentlich.

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Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Kristina Schreiber

Dr. Kristina Schreiber ist Fachanwältin für Verwaltungsrecht und CIPP/E und Partnerin bei Loschelder Rechtsanwälte in Köln. Sie ist spezialisiert auf rechtliche Begleitung von Digitalisierungsprojekten und die Beratung und Vertretung in allen Fragen des Datenschutzes, der Datennutzung und der Cyber-Sicherheit. Sie publiziert regelmäßig in Fachzeitschriften zu diesen Themen, ist Lehrbeauftragte an der FernUniversität Hagen und Referentin auf diversen Fachveranstaltungen.