Verträge über Datennutzung: neue Missbrauchskontrolle

Vertragliche Vereinbarungen über den Zugang zu Daten und ihre Nutzung, die Haftung und Rechtsbehelfe bei der Verletzung oder Beendigung von Vereinbarungen sind zentral für die kommerzielle Bewertung von Datengeschäften. Bei Verträgen mit KMU werden diese Klauseln – kommt der Data Act – künftig besonders geprüft: Der Data Act bringt eine Missbrauchsprüfung ähnlich der bekannten AGB-Kontrolle und Musterklauseln, die von der Kommission vorgegeben werden. Bei einem Verstoß sind die entsprechenden Vereinbarungen unwirksam.

Die Regelungen fügen sich in diverse Vorgaben rund um die „Datenwirtschaft“ ein. Einen allgemeinen Überblick über alle Kapitel des Data Act finden Sie hier:

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Der Überblick: Ziel und Anwendungsbereich  

Der Data Act bringt eine Missbrauchskontrolle von Vertragsklauseln über die Datennutzung und den Datenzugang, wenn diese im B2B-Bereich mit sog. KMU vereinbart werden, also Kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen. Bei einem Verstoß ist die Klausel unwirksam; die Kommission wird Mustervertragsklauseln veröffentlichen. Die Struktur der geplanten Missbrauchskontrolle erinnert an die bekannte AGB-Kontrolle.

Die Missbrauchskontrolle soll verhindern, dass bei vertraglichen Vereinbarungen über den Datenzugang und die Datennutzung die Partei mit der stärkere Verhandlungsposition das vertragliche Ungleichgewicht zu ihrem Vorteil und zulasten der anderen Partei ausnutzt (Erwägungsgrund 51; COM(2022) 68 final, S. 18 f.). Ziel ist eine „gerechtere Verteilung der Wertschöpfung in der Datenwirtschaft“ beitragen (COM(2022) 68 final, S. 18 f.). Dabei sollen nur „überzogene“ Vertragsbedingungen unwirksam sein. Marktübliche Klauseln seien auch dann „normaler Ausdruck des Grundsatzes der Vertragsfreiheit“ und nicht missbräuchlich, wenn sie die stärkere Partei begünstigen (Erwägungsgrund 54).

Ergänzt werden die Missbrauchsregeln durch die Vorgabe von Mustervertragsbedingungen der EU-Kommission. Diese sollen Unternehmen dabei unterstützen, Verträge über die Bereitstellung von Daten auszuarbeiten und auszuhandeln und insgesamt zu faireren Vertragsbeziehungen beim Datenzugang und gemeinsamer Datennutzung beitragen. Kommen praktikable Vorschläge, werden die Musterregelungen für mehr Rechtssicherheit sorgen. Auch die Mustervertragsbedingungen sollen nach dem Willen der EU-Kommission kleinere Unternehmen unterstützen, indem sie ihnen in Vertragsverhandlungen als Grundlage und Orientierungspunkt dienen (dazu Erwägungsgrund 83).

Die Adressaten

Die in Art. 13 des Data Act vorgesehene Missbrauchsprüfung adressiert Unternehmen, die vertragliche Vereinbarungen über die Bereitstellung von Daten schließen. Eine der Vertragsparteien muss dabei ein KMU sein, da diese als kleinere bzw. mittlere Unternehmen als besonders schutzwürdig eingeordnet werden. Dies sind Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern und entweder einem Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro oder einer Jahresbilanzsumme von höchsten 43 Mio. Euro.

Erfasst sind alle Verträge zwischen Unternehmen, von denen eines ein KMU ist, wenn und soweit diese

  • den Datenzugang,
  • die Datennutzung oder
  • Haftung und Rechtsbehelfe bei der Verletzung oder Beendigung datenbezogener Pflichten

regeln. Der Anwendungsbereich wird damit denkbar weit gezogen.

Der Inhalt: Was ist zu tun?

Werden die Vorschriften wie vorgeschlagen erlassen, müssen Unternehmen bei vertraglichen Vereinbarung über den Datenzugang, die Datennutzung oder anderweitiger „datenbezogener Pflichten“, jedenfalls, wenn ein KMU beteiligt ist, eine Missbrauchsprüfung mitdenken: Im Fall eines Verstoßes wären die Klauseln unwirksam. Rechtssicherheit und praktische Hilfestellungen könnten bei der Prüfung die von der EU-Kommission nach Art. 34 Data Act zu veröffentlichenden Mustervertragsbedingungen bieten.

Im Einzelnen sind die folgenden Vorgaben im Data Act-Entwurf vorgesehen:

  • Missbrauchsprüfung [Art. 13 Abs. 1 bis 7]

Vertragsklauseln über den Zugang zu Daten und ihre Nutzung, die Haftung und Rechtsbehelfe bei der Verletzung oder Beendigung datenbezogener Pflichten mit KMU unterliegen einer Missbrauchsprüfung nach Maßgabe des Art. 13 Abs. 1-7.

Dabei gelten folgende Einschränkungen:

  • Nicht der Vertrag insgesamt: Geprüft werden ausschließlich die Klauseln mit den vorgenannten Inhalten, nicht der Vertrag insgesamt (Erwägungsgrund 53). Ausgenommen von der Missbrauchskontrolle können daher etwa Klauseln sein, die den zu zahlenden Preis festlegen (Art. 13 Abs. 7).
  • Nur bei einseitig auferlegten Klauseln: Die Missbrauchsprüfung erfasst nur Klauseln, die KMU einseitig auferlegt werden. Als „einseitig auferlegt“ gilt die Klausel, wenn das KMU den Inhalt der von der anderen Partei eingebrachten Vertragsklausel nicht beeinflussen kann (Art. 13 Abs. 5 S. 1; Erwägungsgrund 52). Im Streitfall muss die Partei, die eine Vertragsklausel eingebracht hat, beweisen, dass die Klausel nicht einseitig auferlegt wurde (Art. 13 Abs. 5 S. 2).

Die Missbrauchsprüfung erfolgt in drei Kategorien (die Regelungen in der deutschen Übersetzung des Data Act sind hierzu nur schwer verständlich und sprachlich inkonsistent – wir empfehlen daher für die vertiefende Lektüre die englische Sprachfassung):

  1. Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit (Art. 13 Abs. 3 lit. a bis c)

Stets verboten sind folgende Klauseln:

  • Haftungsausschluss oder -beschränkung für vorsätzliche oder grob fahrlässige Handlungen (lit. a)
  • Ausschluss von Rechtsbehelfe wegen Nichterfüllung oder der Haftung (lit. b)
  • Einseitiges Bestimmungsrecht der die Klausel auferlegenden Partei, ob ob gelieferte Daten vertragsgemäß sind oder anderweitige Vertragsregeln eingehalten wurden (lit. c)
  • Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit (Art. 13 Abs. 4 lit. a bis e)

Bei folgenden Klauseln wird vermutet, dass sie missbräuchlich sind:

  • Unangemessene Beschränkung von Rechtsbehelfen wegen Nichterfüllung oder der Haftung (lit. a)
  • Zugriffsrechte auf Daten des KMU mit Nutzung bzw. Nutzungsrechten, die den berechtigten Interessen des KMU erheblich schadet (lit. b)
  • Regelungen, die das KMU hindern oder unverhältnismäßig beschränken, die vom KMU während der Vertragslaufzeit bereitgestellten oder erzeugten Daten zu nutzen (lit. c)
  • Regelungen, die das KMU hindern, Kopien von den von ihr bereitgestellten oder erzeugten Daten während der Vertragslaufzeit oder innerhalb einer angemessenen Frist nach Kündigung des Vertrags zu erhalten (lit. d)
  • Unangemessen kurze Kündigungsfristen zugunsten der Partei, die die Klauseln; bei der Bewertung der Unangemessenheit kommt es u.a. auf Migrationsoptionen für das KMU und finanzielle Nachteile, wobei eine außerordentliche Kündigung wegen schwerwiegender aus der Sphäre des KMU stammender Gründe auch ungeachtet dessen zulässig ist (lit. e)
  • Generalklausel (Art. 13 Abs. 2): Ist keine der vorgenannten Klauseln einschlägig, kommt die Generalklausel zur Anwendung, die Missbräuchlichkeit bewertet sich dann nach der Marktüblichkeit und nach Maßgabe einer guten und redlichen Geschäftspraxis sowie Treu und Glauben (Erwägungsgrund 55).  

Ist eine Vertragsbedingung nach diesen Maßgaben missbräuchlich, ist die Vertragsklausel nicht bindend (Art. 13 Abs. 1) und damit unwirksam; ist die unwirksame Klausel abtrennbar, bleiben die übrigen Klauseln verbindlich (Art. 13 Abs. 6).

  • Zwingendes Recht [Art. 13 Abs. 8]

Die Anwendung der Missbrauchsprüfung kann nicht durch vertragliche Vereinbarung der Parteien ausgeschlossen oder inhaltlich abgeändert werden.

  • Mustervertragsklauseln der Kommission [Art. 34]

Die EU-Kommission wird Mustervertragsbedingungen für den Datenzugang und die Datennutzung veröffentlichen. Diese sind unverbindlich. Das heißt, Unternehmen können die Mustervertragsklauseln künftig nutzen, um Verträge in Bezug auf die Bereitstellung von Daten auszuarbeiten und auszuhandeln. Werden die Mustervertragsbedingungen übernommen oder als Grundlage für den individuellen Vertrag herangezogen, können die Vertragsparteien davon ausgehen, dass die Klauseln den rechtlichen Anforderungen entsprechen.

Ausblick: Bedeutung für die Praxis

Verträge über den Zugang zu Daten und ihre Nutzung nehmend zunehmend Raum in der alltäglichen Geschäftspraxis ein. Die Einführung eines allgemeinen Missbrauchsverbotes wird insofern einen erheblichen Anwendungsbereich entfalten, inhaltlich sind die Regeln aktuell indes noch weitgehend unklar.

Bleibt es bei der aktuellen Fassung, führt dies zu einer Rechtsunsicherheit, die dem eigentlichen Ziel der Kommission, eine florierende Datenwirtschaft zu schaffen, eher abträglich denn hilfreich sein wird.

Es bleibt zu hoffen, dass die Klausel im weiteren Verfahren präzisiert wird und so einen echten Interessensausgleich zwischen großen Playern und schutzwürdigen KMU schaffen kann. Wie genau dies erfolgen kann, ist in den kommenden Wochen und Monaten zu diskutieren.