Das OLG Frankfurt befasste sich im Juni in einem Berufungsverfahren mit dem Facebook-Post eines Users, der gegen die Nutzungsbedingungen zur sogenannten Hassrede verstieß und Facebook damit zur Löschung des Posts sowie zur vorübergehenden Einschränkung von Funktionen des verantwortlichen Accounts veranlasste. Der Kläger hatte beim Landgericht Frankfurt erfolglos die erneute Freischaltung des Beitrags durch Facebook sowie Schadensersatz gem. Art. 82 DSGVO wegen Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verlangt.
Der umstrittene Post vom November 2018 nahm Bezug auf einen Artikel, der über die gewalttätige Auseinandersetzung zwischen zwei Afghanen in einer Flüchtlingsunterkunft berichtete. Der Kläger veröffentlichte in diesem Zusammenhang folgenden Kommentar:
„Solange diese sich gegenseitig abstechen ist es doch o.k. Ist jemand anderer Meinung? *Messer-Emoji*“.
Facebook hatte im April 2018 die Nutzungsbedingungen der Plattform geändert und darin die Veröffentlichung sogenannter „Hassrede“ verboten. Auch der Kläger hatte diesen geänderten Nutzungsbedingungen zugestimmt. Der Betreiber des sozialen Netzwerk war der Ansicht, dass der Post gegen die neuen Gemeinschaftsstandards verstieße und löschte diesen, ohne den Kläger vorher zu dem erhobenen Vorwurf anzuhören.
In einem Grundsatzurteil hatte der BGH vergangenen Sommer entschieden, dass Facebook vor der Löschung bestimmter Posts gewisse Regeln beachten müsse: Erforderlich sei dafür, dass der Nutzer über die Entfernung seines Beitrags informiert werde und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme und Gegenäußerung eingeräumt werde. Mit der Entscheidung vom 30.06.2022 (16 U 229/20) knüpft das OLG Frankfurt am Main an diese Rechtsprechung an, urteilt aber nunmehr, dass die Anhörung eines Nutzers, dessen Post von Facebook gelöscht wurde, auch noch im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden könne.
Der Fehler einer unterlassenen Anhörung vor der Löschung eines Posts kann also im gerichtlichen Verfahren zur die Wiederfreischaltung geheilt werden. Mit der Berufung auf die unterlassene Anhörung allein kann der betroffene Nutzer also die Freigabe seines Posts nicht verlangen, soweit die nachgeholte Anhörung nicht zu einer veränderten Bewertung des Falls führt.
Ebenso weist das OLG einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus Art. 82 DSGVO zurück, der einen Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO sowie einen materiellen oder immateriellen Schaden voraussetzt.
Zum einen sei die Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen der Beklagten (Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO) nicht an die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen durch die Beklagte geknüpft, sodass in der etwaigen Weiternutzung der bei der Beklagten vorhandenen Daten des Klägers während der teilweisen Sperrung des Kontos auch kein Verstoß gegen zwingende Vorgaben der DSGVO liege. Zum anderen stelle die temporäre Teilsperrung des Nutzerkontos des Klägers auch keine Verarbeitung von dessen Daten im Sinne von Art. 8 Nr. 2 DSGVO dar.
Das OLG äußert sich zudem umfassend zur Auslegung des Art. 82 DSGVO im Hinblick auf die Voraussetzung eines immateriellen Schadens. Ein Schadensersatzanspruch würde nicht bereits bei jeder individuell empfundenen Unannehmlichkeit oder bei Bagatellverstößen begründet; vielmehr müsse hierzu, auch angesichts des bestehenden Missbrauchsrisikos, eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschritten werden. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn der datenschutzrechtliche Verstoß eine Vielzahl von Personen in gleicher Weise betrifft und damit Ausdruck einer im großen Stil betriebenen, bewussten Kommerzialisierung ist.
Anders müsse der hier gegebene Fall bewertet werden. Durch die Unterdrückung eines einzelnen Posts sei keine hinreichende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts gegeben. Vielmehr liege hier nur eine bagatellhafte Unannehmlichkeit vor, die einen Schadenersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO nicht rechtfertigen könne. Darüber hinaus müsse auch berücksichtigt werden, dass die Löschung gerade vorgenommen wurde, um das Persönlichkeitsrecht anderer Nutzer gegen die veröffentlichte Hassrede zu schützen. Durch die Zuerkennung eines Schadensersatzanspruchs in einem solchen Fall würde zudem ein unangemessenes Spannungsfeld zwischen der Löschpflicht des Portalbetreibers einerseits und dem hiermit verbundenen Schadensersatzrisiko andererseits entstehen. Aus diesem Grund stehe dem Kläger hier kein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO zu.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt unterstreicht, dass Schadensersatzansprüche nicht bei jeglichen, bagatellhaften Verstößen gegen das Datenschutzrecht drohen. Vielmehr löst erst die Überschreitung einer gewissen Erheblichkeitsschwelle, die über eine individuell empfundene Unannehmlichkeit hinausgeht, ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO aus.