Grenzen des Auskunftsrechts: Keine Akteneinsicht über Art. 15 DSGVO

Das Finanzgericht München hatte jüngst zu der Frage zu entschieden, in welchem Umfang der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO Einsicht in umfangreiche Aktensammlungen, inklusive Aktenvermerke, rechtliche Analysen etc., gewährt. Die Entscheidung verdeutlicht: Eine detaillierte Prüfung lohnt sich gerade dann, wenn Auskunftsansprüche auf Einsicht in umfassende Dokumentationen gerichtet sind. 

Im Rahmen des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO stellt sich bei umfangreichen Aktensammlungen folgende Frage: Reicht der Anspruch soweit, dass zu sämtlichen in der(/n) Akte(n) enthaltenen Schriftstücken Zugang zu gewähren ist? Oder fallen nur einzelne Angaben in den Dokumenten als personenbezogene Daten in den Anwendungsbereich der DSGVO, sodass der Auskunftsanspruch entsprechend in seinem Umfang begrenzt ist?

Das Finanzgericht München bekam nun bereits zum zweiten Mal die Gelegenheit, zu dieser Rechtsfrage Stellung zu nehmen (FG München, Urt. v. 05.05.2022 – 15 K 194/20). Das erste, von demselben Kläger erstrittene Urteil des Finanzgericht München hierzu erging im November 2021 (FG München, Urteil vom 04.11.2021 – 15 K 118/20). In beiden Verfahren begehrte der Kläger Auskunft über die vom Finanzamt und dem Bayrischen Landesamt für Steuern verarbeiteten, den Kläger betreffenden personenbezogenen Daten und Einsicht in bzw. (Farb-)Kopie von sämtliche(n) Verfahrensakten und Schriftstücke(n). Während die streitgegenständlichen Akten im Verfahren gegen das Finanzamt vor allem das Besteuerungsverfahren betrafen, ging es in dem Verfahren gegen das Landesamt um die im Rahmen eines (Dienstaufsichts-)Beschwerdeverfahrens geführten Akten.

Kein umfassendes Akteneinsichtsrecht

Eine Verwaltungsakte wird zur Dokumentation eines konkreten Verwaltungsverfahrens angelegt. Es liegt nahe, dass die in der Akte enthaltenen Dokumente und Schreiben Angaben zu Verfahrensbeteiligten enthalten, die als personenbezogene Daten zu qualifizieren sind. Das Finanzgericht München stellte sich die Frage, ob diese „naheliegende Vermutung“ ausreiche, um für sämtliche Dokumente wie Schriftwechsel, Aktenvermerke, rechtliche Stellungnahmen oder Analysen den erforderlichen Personenzug herzustellen, der für die Öffnung des Anwendungsbereichs der DSGVO erforderlich ist.

Diese Frage verneint das Gericht: Personenbezogene Daten seien Einzelangaben und nicht etwa Akten oder Aktensammlungen, so das Gericht und verweist dabei auf § 3 Abs. 1 BDSG a.F. sowie Erwägungsgrund 15 zur DSGVO.

Textpassagen oder ganze Schriftstücke als personenbezogenes Datum?

Trotzdem können Textpassagen oder Volltexte einzelne Angaben (Tatsachen, Werturteile o.a.) enthalten, die das Potential in sich tragen, personenbezogene Daten und damit Gegenstand eines Auskunftsanspruchs zu sein. Erst durch einen menschlichen Interpretationsakt, den das FG München als „Heben“ bezeichnet, werde aus einem potentiellen ein tatsächliches personenbezogenes Datum. Die „bloße Veraktung“ reiche hierfür nicht aus. Erst durch die beabsichtige Zuordnung unter einen „spezifischen, personenbezogenen (Feld-)Bezeichner“ (auch Kategorie oder Kriterium) werde ein ausreichendes Maß an „Strukturiertheit“ innerhalb der Dokumentation hergestellt, welche den Anwendungsbereich der DSGVO öffne. Jedenfalls das Ergebnis des Verwaltungsverfahrens, die Verwaltungsentscheidung, enthalte personenbezogene Daten; durch Bekanntgabe der Entscheidungsbegründung werde der Auskunftsanspruch jedoch erfüllt.

In Abgrenzung dazu sind Einzelangaben, die strukturiert in Datenbanken abgelegt und spezifischen Kriterien (z.B. die Feldbezeichner „Geburtsdatum“, „Adresse“) zugeordnet werden, unmittelbar und direkt als personenbezogene Daten zu erkennen und dementsprechend vom Auskunftsanspruch umfasst.

Besonderheit: Immanente Zuordnung

Beachtlich ist, dass diese Rechtsgrundsätze lediglich für umfangreiche Verwaltungsakten gelten sollen. Diese kennzeichnet, dass in ihnen enthaltene Daten in der Vielzahl der Angaben nicht leicht wiederauffindbar sind. In anderen Fällen sei die Zuordnung zu einer konkreten Person dem Schriftstück immanent. Das sei in den vom EuGH in diesem Zusammenhang entschiedenen Fällen der Fall gewesen. Das gelte etwa für eine Sammlung mit wenigen Daten, die umfassend strukturiert sind (vgl. EuGH, Urt. V. 10.07.2018 – C-25/17 – „Zeugen Jehovas“). Ebenso sind Korrekturanmerkungen zu einer Prüfungsarbeit in einem so engen Bezug, dass die Zuordnung zum Bearbeiter immanent sei (EuGH, Urt. v. 20.12.2017 – C-434/16 –„Korrekturanmerkungen“ ).

Dass nicht alle Dokumente, die womöglich einer natürlichen Person zugeordnet werden könnten, personenbezogene Daten und vom Auskunftsanspruch umfasst sind, hatte auch schon der BGH in versicherungsrechtlichem Kontext entschieden: Ausgenommen hatte das Gericht insbesondere interne Bewertungen von Ansprüchen eines Versicherten und zugehörige rechtliche Analysen vom Auskunftsanspruch (wir berichteten dazu in unserem Loschelder-Newsletter aus März 2022). Die Details der Reichweite des Auskunftsanspruchs sind indes nach wie vor umstritten und harren der (höchstrichterlichen) Klärung. Eine Themen wird der EuGH in absehbarer Zukunft zu besprechen haben, in anhängigen Vorabentscheidungsverfahren (etwa C-487/21). Da bleibt nur festzuhalten: „We keep you posted.“