Neues zum Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO: Rechtsmissbrauch und Geheimhaltungsinteressen

Das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO ist praxisrelevant und erscheint Unternehmen mitunter uferlos. Nicht erfüllt werden müssen allerdings missbräuchliche Auskunftsersuchen. Zudem sind Geheimhaltungsinteressen Dritter zu schützen. BGH und OLG Dresden konkretisieren in für die Praxis höchst relevanten, aktuellen Entscheidungen, wann eine Verweigerung der Beauskunftung wegen Rechtsmissbrauchs zulässig ist, allerdings mit gegenläufigen Positionen. Und der BGH konkretisiert, wie Informationen Dritte geheim zu halten sind.

Rechtsmissbrauch

Zwei Gerichtsentscheidungen – beide vom 29.03.2022 – zeigen, wie kontrovers die Diskussion um die Auskunftsverweigerung wegen rechtmissbräuchlicher Auskunftsanträge geführt wird. Während  das OLG Dresden (OLG Dresden, Endurteil vom 29.03.2022 – 4 U 1905/21) ein Recht zur Verweigerung der Auskunft sah, weil der Antragsteller datenschutzfremde Zwecke verfolgte, brachte der BGH seine gegenteilige Auffassung zum Ausdruck und legte die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vor (BGH, Beschluss vom 29.03.2022 – VI ZR 1352/20).

In dem der Entscheidung des OLG Dresden zugrundeliegenden Fall klagte ein Versicherungsnehmer gegen seinen privaten Krankenversicherer wegen verschiedener Beitragserhöhungen, die er für unwirksam erachtete. Neben Rückzahlung verlangte er Auskunft über alle Beitragsanpassungen der vergangenen Jahre.

Das OLG Dresden verneint das Bestehen eines solchen Auskunftsanspruchs (OLG Dresden, Endurteil vom 29.03.2022 – 4 U 1905/21). Bei seiner Begründung schloss sich das Gericht der Rechtsauffassung des OLG Hamm an, das im November 2021 in einem ähnlich gelagerten Fall zu entscheiden hatte (OLG Hamm, Beschluss vom 15.11.2021 – 20 U 269/21). Ein Auskunftsanspruch ergebe sich nicht aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO, weil dem Versicherer ein Weigerungsrecht nach Art. 12 Abs. 5 S. 2 lit. b DSGVO zustehe. Ein solches Recht bestehe bei einem „exzessiven“ Antrag, worunter neben dem in der DSGVO genannten Fall „häufiger Wiederholung“ auch andere Fälle des Rechtsmissbrauchs zu verstehen sind.

Das OLG Dresden ist – wie das OLG Hamm zuvor – der Ansicht, dass es in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich ist, Auskunft ausschließlich zu dem Zweck zu begehren, etwaige Beitragsanpassungen auf formelle Mängel überprüfen zu können. Denn diese Vorgehensweise sei nicht vom Schutzzweck der DSGVO umfasst. Das Auskunftsrecht bezwecke, dass sich der Betroffene der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusstwerden kann und ihm die Prüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Verarbeitung möglich ist (EG 63 DSGVO). Der Zusammenhang des Auskunftsersuchens mit dem Feststellungs- und dem Zahlungsantrag zeige bereits, dass der Kläger sein Betroffenenrecht nicht zu diesem Zweck nutzbar machen will. Auch ein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch besteht nicht.

Die Entscheidung des OLG Dresden steht exemplarisch für eine Reihe von Entscheidungen verschiedener Instanzgerichte des vergangenen und des aktuellen Jahres, die sich mit der Reichweite des Auskunftsanspruchs  befassten und sich dabei gegen einen Auskunftsanspruch zu datenschutzfremden Zwecken positionierten (siehe die Auflistung der Entscheidungen durch den BGH, Beschluss vom 29.03.2022 – VI ZR 1352/20, Rn. 25).

Laut Vorlagebeschluss tendiert der BGH zu einer gegenläufigen Rechtsposition. Art. 15 DSGVO sei nicht aufgrund des in Erwägungsgrund 63 zum Ausdruck kommenden Schutzzwecks einschränkend auszulegen. Der Wortlaut der Norm sei insoweit eindeutig, denn er verlange weder nach einer dem Schutzzweck entsprechenden Motivation des Antragsstellers noch nach einer Begründung des Begehrens. Außerdem könne sich der Antragsteller auch der Datenverarbeitung bewusstwerden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen, wenn er ursprünglich Auskunft aus einer anderen Motivation heraus verlangt hat. Da die Frage durch die Rechtsprechung des EuGH weder geklärt noch zweifelsfrei beantwortet werden könne, legte der BGH dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor.

Die anstehende Entscheidung des EuGH hat für die Praxis enorme Auswirkungen. Auskunftsbegehren mit offensichtlich datenschutzfremder Zielrichtung sind an der Tagesordnung. Betroffene nutzen die Rechte aus Art. 15 DSGVO vielfach, um ihre Position in Klageverfahren zu stärken, Verhandlungspositionen zu schaffend und verfolgen damit auch Interessen, die nicht originär datenschutzrechtlich motiviert sind. Sollte sich die Auffassung des OLG Dresden durchsetzen, würde dies Unternehmen schützen. Sie könnten sich dann auf die ausreichend ressourcenintensive Beauskunftung von datenschutzrechtlich motivierten Auskunftsanfragen fokussieren. Wortlaut und Systematik der DSGVO machen ein solches Ergebnis allerdings schwer argumentierbar, dogmatisch ist die Argumentation des BGH durchaus nachvollziehbar. Die anstehende EuGH-Entscheidung ist angesichts dessen von enormer Bedeutung für die Praxis.

Auskunftsbegehren vs. Geheimhaltungsinteresse

Bereits im Februar 2022 äußerte sich der BGH in einem weiteren Fall zum Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO: Im Fall versuchte der Mieter vom Vermieter Auskunft darüber zu erhalten, wer sich bei ihr über den Zustand der Wohnung beschwert hatte. Der BGH bejaht einen solchen Auskunftsanspruch und stellt dabei allgemeingültige Kriterien für die Abwägung der datenschutzrechtlich geschützten Interessen Dritter auf (Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 lit. g DSGVO).

Eine Auskunft darf nicht erteilt werden, wenn dadurch Rechte und Freiheiten anderer Personen verletzt würden. Interessen und Freiheiten Dritter sind bei einem Auskunftsersuchen zu berücksichtigen und zu schützen; zu einer gänzlichen Versagung der Auskunft können sie allerdings regelmäßig nicht führen. Entscheidend ist eine Abwägung der Geheimhaltungsinteressen – hier des Hinweisgebers – mit dem Interesse des Auskunftsberechtigten. Werden personenbezogene Daten von dem Dritten beauskunftet, benötigt der Auskunftsgeber dafür einer Erlaubnisgrundlage, etwa aus Art. 6 DSGVO, Art. 15 enthält keine solche Erlaubnis. Diese kann auch in berechtigten Interessen des Auskunftsbegehrenden (und des Verantwortlichen) liegen. Der BGH hat dazu im entschiedenen Fall eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen.