Die Website wirbt mit „kostenlosen Informationen“, die neueste App gibt es „für Sie umsonst“ und im neuesten Podcast wirbt der Sprecher für eine Plattform, auf der seine Hörer „gratis“ einen Versicherungsvergleich erhalten. Nur ein paar Daten müssen angegeben werden, um die Angebote zu nutzen. Und genau dies kann den Werbenden und Anbietern jetzt zum Verhängnis werden: „Nur ein paar Daten“ sind spätestens seit dem 1. Januar 2022 auch eine Bezahlung. Und damit gilt im B2C-Bereich das Verbraucherschutzrecht. Einige besonders schwere Verstöße gegen das Verbraucherschutzrecht können seit Mai 2022 sogar mit einem hohen Bußgeld geahndet werden.
Muss also jetzt mit „nur für Ihre Daten“ geworben werden, anstatt mit einem „kostenlosen Angebot“?
Auch Daten sind Geld
Seit dem 1. Januar 2022 gilt ein neues Gesetz: Das digitale Vertragsrecht. Unmittelbar gilt es für Angebote für Verbraucher (B2C), auch für B2B-Angebote ist es aber indirekt relevant. Das digitale Vertragsrecht stellt das Bezahlen mit Daten dem Bezahlen mit Geld gleich. Angebote, für die Nutzer ihre personenbezogenen Daten bereitstellen müssen, sind daher nicht (mehr) kostenlos. Immer dann, wenn ein Nutzer mehr Daten von sich preisgeben muss, als für die Vertragsabwicklung benötigt werden, geht das Gesetz von einem Bezahlen mit Daten aus.
Erfasst sind davon zum Beispiel die Einwilligung in personalisierte Werbung, die Bereitstellung von Informationen über die eigenen Versicherungen, damit der Anbieter diese für die Produktverbesserung nutzen kann oder auch die Angabe von bestimmten Interessen, um einen personalisierten Newsletter zu erhalten: Solche Angebote sind nicht kostenlos, die Nutzer bezahlen für die Angebote mit ihren Daten. Für die Anbieter sind diese Daten ihrer Nutzer wertvoll. Sie können sie verwenden, um das eigene Produkt weiterzuentwickeln, oder auch, um über die Bereitstellung passender Werbung oder den Weiterverkauf der Daten Geld zu verdienen.
Für Anbieter dieser Produkte gilt: Wer personenbezogene Daten seiner Nutzer als Bezahlung verlangt, der muss das gesamte Verbraucherschutzrecht einhalten. Das umfasst bei Online-Angeboten etwa umfangreiche Informationspflichten einschließlich der transparenten Aussage zum Preis. Auch gilt ein Widerrufsrecht und die eigene Leistung ist mangelfrei bereitzustellen.
Verstoßen Anbieter gegen die gesetzlichen Vorgaben, entstehen einige Risiken. Nutzer können die Leistung einklagen und Anbieter können die als Bezahlung erhaltenen Daten womöglich nicht weiter nutzen. Wettbewerber und Verbraucherschutzverbände können den Anbieter kostenpflichtig abmahnen und Unterlassung verlangen. Seit dem 28. Mai 2022 kommt ein weiteres Risiko hinzu: Einige Verstöße können mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 4% des Jahresumsatzes geahndet werden. Dies setzt voraus, dass gegen zentrale Vorschriften des Verbraucherschutzrechts verstoßen wurde. Und es setzt voraus, dass das Produkt international angeboten wird. Von dem Verstoß betroffen sein müssen mindestens drei EU-Mitgliedstaaten. Das Risiko besteht also immer dann, wenn ein Online-Angebot in mindestens drei EU-Ländern angeboten wird. Für Website-Angebote, Apps und Plattformen ist das schnell der Fall.
Datenschutz als Ankerpunkt
Wenn Anbieter personenbezogene Daten ihrer Nutzer verarbeiten wollen, für personalisierte Werbung, Produktverbesserungen oder zum Verkauf, dann müssen sie neben dem Verbraucherschutzrecht auch das Datenschutzrecht beachten. Das ist wichtig. Bei einem Datenschutzverstoß dürfen sie die Daten nicht weiter verwenden. Und es drohen Schadensersatzforderungen und Bußgelder.
Worauf müssen Anbieter achten? Auch datenschutzrechtlich ist das oberste Gebot die Transparenz: Verbraucher müssen wissen und verstehen, welche personenbezogenen Daten sie von sich preisgeben müssen, um das Produkt zu nutzen. Und sie müssen wissen, zu welchem Zweck ein Anbieter diese Daten verwenden wird. Dies deckt sich in einigen Aspekten mit den Verbraucherschutzrechtlichen Anforderungen.
Entscheiden muss der Anbieter dann, ob er die Daten der Verbraucher auf Basis einer Einwilligung oder der Vertragserfüllung nutzen will. Der Gesetzgeber scheint wohl von einem Einwilligungserfordernis ausgegangen zu sein, Behörden und Gerichte sind sich bislang uneinig, ob nicht eine Vertragserfüllung klarer, fairer und transparenter ist. Eine sichere Klärung wird es wohl erst in einigen Jahren geben. Bis dahin gilt: Vor- und Nachteile abwägen, eindeutige Position beziehen und das Produkt stringent danach gestalten. Unterschiede bestehen etwa darin, ob ich eine zusätzliche Erklärung, einen zusätzlichen „Klick“ vom Verbraucher benötige und wie einfach dieser die weitere Verarbeitung seiner Daten stoppen kann. Mehr zu alledem gibt es in unserem Praxisleitfaden „Digitale Angebote“ im Beck-Verlag (herausgegeben von Kristina Schreiber) zu lesen oder in meinem Aufsatz „Personenbezogene Daten als Währung. Neue Vorschriften für das „Bezahlen mit Daten“ in der ZdiW 3/2021, S. 93 ff. Bei Fragen dazu sprechen Sie mich gerne an!
Vorsicht bei Werbeaussagen: Transparente Kommunikation
Das Bezahlen mit Daten führt auch in der Werbung zu neuen Herausforderungen: Wenn Nutzer mit ihren Daten bezahlen, darf das Angebot dann noch als „kostenlos“ beworben werden?
Die Antwort ist typisch in der Juristerei: Es kommt drauf an. Nämlich auf den Gesamtkontext. Werbende Anbieter dürfen nicht den Eindruck vermitteln, Nutzer müssten nichts hergeben für das Angebot. Dieser Eindruck kann bei einer Werbung mit „kostenlos“ oder „umsonst“ schnell entstehen. Das ist dann womöglich irreführend und nicht transparent genug.
Vermieden werden kann ein solcher Eindruck, wenn im Gesamtkontext deutlich wird, dass Nutzer nur kein Geld, wohl aber ihre Daten hergeben müssen. Ein Angebot als „kostenlos“ ist danach dann insbesondere verbraucherschutz- und datenschutzrechtlich in Ordnung, wenn die Verbraucherin gleichzeitig weiß, dass sie personenbezogene Daten von sich preisgeben und lediglich kein Entgelt bezahlen muss.
Es kommt also auf den Gesamtkontext an. „Kostenlos – Sie müssen nur Ihre Daten bereitstellen“ oder „Kostenlos, wenn wir Ihnen unseren Newsletter zusenden dürfen“ können zulässige Slogans sein, mit denen ohne Verstoß gegen das Verbraucherschutzrecht wirksame Einwilligungen in die Datenverarbeitung eingeholt werden können (wenn auch sonst alles stimmt). Aber ist das noch erfolgsversprechendes Marketing? Die Werbetexter müssen hier wohl noch kreativ werden – mein Metier ist das nicht. Rechtlich jedenfalls steht fest: Ein schlichtes „kostenlos“ oder „umsonst“ ist nicht mehr möglich, wenn der Anbieter personenbezogene Daten einfordert, als Gegenleistung für die Produktnutzung. Denn allgemein dürfte „kostenlos“ verstanden werden als „umsonst“ – und dann erwartet die Verbraucherin, nichts geben zu müssen, weder Geld noch Daten.
Übrigens: Auch wettbewerbsrechtlich ist bei alledem Vorsicht geboten und eine Irreführung zu vermeiden! Sonst könnten nicht nur die Nutzer, sondern auch die Wettbewerber auf den Plan gerufen werden.
Fazit: Aufmerksame Werbung – sorgfältige Produktgestaltung!
Für die Praxis bedeutet dies: Anbieter und Werbende sollten Produktgestaltung und Werbeaussagen mit „kostenlosen Angeboten“ überprüfen. Ist das Angebot wirklich „umsonst“?
Für die viele digitale Angebote werden die Nutzer Daten bereitstellen, die der Anbieter nicht nur für die Vertragserfüllung benötigt. Für Anbieter sind gerade diese zusätzlichen Daten wertvoll. Sie werden verwendet, um das Produkt zu verbessern, personalisierte und damit wertschöpfende Werbung anzuzeigen oder auch andere Produkte zu promoten.
Die digitale Welt funktioniert so, dies ist auch rechtlich nicht verwerflich, sondern vielmehr anerkannt. Gefordert ist aber, dass Anbieter und Werbetreibende damit transparent umgehen: Es ist nicht kostenlos, wenn Nutzer mit Ihren personenbezogenen Daten zahlen und damit dem Anbieter einen Mehrwert schaffen. Kostenlos ist nur, wofür weder ein Entgelt noch ein personenbezogenes Datum bereitgestellt werden muss, welches nicht zur Vertragserfüllung benötigt wird.