Im Februar 2022 hat der BGH erneut einen Fall mit Bezug zum Arztsuche- und -bewertungsportal „Jameda“ entschieden. Die klagende Augenärztin hatte keinen Erfolg mit ihrem Verlangen, dass ein ohne ihr Zutun erstelltes Profil zu ihrer Praxis auf der Plattform gelöscht wird. Die berechtigten Interessen von Portalbetreiber und Nutzern an einer möglichst vollständigen Übersicht rechtfertigten die Datenverarbeitung, der keine überwiegenden Interessen der Augenärztin entgegenstanden. Die Entscheidung ist aber nicht nur für Bewertungsportale von Relevanz: Das Gericht konkretisiert die Prüfung berechtigter Interessen nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f DSGVO in einer für die Praxis überaus hilfreichen Art und Weise.
Die Beklagte in der dem Urteil des BGH vom 15.02.2022 zugrundeliegenden Sache betreibt das Arztsuche- und -bewertungsportal „Jameda“. Auf dieser Webseite werden Profile zu Arztpraxen angezeigt. Diese enthalten einerseits Basisangaben wie Name, Fachrichtung und Praxisanschrift. Andererseits können Patienten zu diesen Ärzten ihre subjektiven Erfahrungen mit der Community teilen, indem sie die Ärzte benoten und Freitextbewertungen auf der Plattform abgeben. Jameda selbst erstellt diese Profile ohne Einwilligung der betroffenen Ärzte. Neben solchen Basisprofilen bietet Jameda ein Upgrade der Profile gegen Bezahlung für Premiumkunden an. Das ermöglicht es den Ärzten, das Profil um ein Bild und weitere Informationen zu ergänzen, eine bessere Auffindbarkeit über Google sowie das Erscheinen des Profils in einer Liste von Anzeigen, die auch als solche gekennzeichnet ist.
Nachdem die klagende Augenärztin in einer Bewertung als „arrogant, unfreundlich, unprofessionell“ bezeichnet wurde, klagte sie auf die Löschung des für sie erstellten Jameda-Profils. Der BGH sah jedoch keinen Löschungsgrund nach der DSGVO und wies die Revision daher zurück. Mustergültig prüft der BGH dafür, ob die Erstellung und Unterhaltung des Basisprofils durch Jameda eine rechtmäßige Verarbeitung aus berechtigten Interessen gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f DSGVO darstellt. Für die hier erforderliche Abwägung ist die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) maßgeblich. Für den Betrieb des Portals spräche Art. 11 Abs. 1 GRCh – die Meinungs- und Informationsfreiheit. Jameda stelle eine grundsätzlich von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Informationsquelle über Arztangebote und die Erfahrungen mit diesen dar. Zudem spricht für Jameda – und dies ist in der Praxis auch auf eine Vielzahl anderer Fälle übertragbar – die unternehmerische Freiheit (Art. 16 GRCh).
Dass personenbezogenen Daten – hier die Basisdaten der Ärzte – dort eingepflegt werden, sei auch „erforderlich“, um diese Interessen der Plattformbetreiberin und der Nutzer zu erreichen. Ohne, dass die einzelnen Ärzte identifiziert und gefunden werden können und dabei eine möglichst umfassende Übersicht erstellt wird, könne der Zweck der Plattform nicht erreicht werden.
Aufseiten der Ärztin stritten hingegen der Schutz ihrer personenbezogenen Daten (Art. 8 GRCh), die Achtung ihres sozialen und beruflichen Geltungsanspruchs (Art. 7 GRCh) und ihre unternehmerische Freiheit (Art. 16 GRCh). Zwar könnten die Bewertungen auf der Plattform eine erhebliche Auswirkung auf den beruflichen und wirtschaftlichen Erfolg der Ärztin haben, jedoch sei ein jeder beruflich selbständig Tätiger der dauerhaften Beobachtung seiner Arbeit durch die Öffentlichkeit und möglicher Kritik ausgesetzt. Diese Situation werde nicht erst durch diese Plattform erzeugt. Das öffentliche Interesse an einer verbesserten Leistungstransparenz im Gesundheitswesen überwiege somit die Interessen der Ärztin. Die Erstellung und Unterhaltung eines Ärzteprofils mit Basisdaten sei somit rechtmäßig im Sinne der DSGVO. Auch hier ergeben sich für die Praxis wesentliche Hinweise: Berufsbezogene Daten stehen regelmäßig in der Öffentlichkeit und genießen im Rahmen von Abwägungen wie hier unter Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f DSGVO tendenziell einen geringeren Schutz als private oder gar intime Angaben.
Im Rahmen dieser Abwägung war auch relevant, dass Jameda als „neutrale Informationsmittlerin“ auftritt. Durch die Differenzierung zwischen Basis- und Premiumprofil wird kein unsachlicher Eindruck erweckt, Premiumkunden seien „die besseren Ärzte“. Eine absolute Gleichbehandlung ist nicht erforderlich.