Hilft das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO im Zivilprozess?

Oder auch: Hilft das Datenschutzrecht, Beweismittel zu beschaffen?

Nicht nur im Rahmen datenschutzrechtlicher Streitigkeiten kann das Auskunftsrecht der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zur Anwendung kommen. Mittlerweile wird es auch vielfach zur bloßen Informationsbeschaffung genutzt, was Parteien in Zivilprozessen zur Verbesserung ihrer eigenen Position verhelfen kann. Für das Auskunftsrecht müssen zwar keine Voraussetzungen erfüllt sein, jedoch muss die Auskunft auch nicht uneingeschränkt erteilt werden, wenn diese bloß dazu dient, an Beweismittel zu gelangen. Was also ist im Zivilprozess zu beachten – wo kann der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO helfen, wo kann er erfolgreich abgewehrt werden?

Der Auskunftsanspruch

Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch (Art. 15 DSGVO) ist für natürliche Personen, die von einem Datenverarbeitungsvorgang betroffen sind („Betroffene“), das wohl bedeutendste Recht in der DSGVO. Wird dieses Recht geltend gemacht, ist die (potentiell) personenbezogene Daten verarbeitende Partei zur Auskunft darüber verpflichtet, ob personenbezogene Daten des Anspruchstellers verarbeitet werden und falls ja, welche Daten hiervon betroffen sind. Neben der Bedingung, dass die Daten sich auf diese Person beziehen müssen, bestehen weder Voraussetzungen noch müssen Gründe für das Auskunftsverlangen genannt werden. Das hängt damit zusammen, dass es für Betroffene stets möglich sein soll, die Richtigkeit und Rechtmäßigkeit einer etwaigen Datenverarbeitung zu überprüfen sowie ggf. ihre Rechte auf Berichtigung oder Löschung auszuüben. Hierfür sind sie auf umfangreiche Informationen über die Verarbeitung ihrer Daten angewiesen.

Aber nicht nur zu diesem Zweck, kann das Auskunftsrecht Verwendung finden: auch im Rahmen eines Zivilprozesses kann dieses Recht auftauchen. Um die eigene Position im Zivilprozess zu verbessern und dem Beibringungsgrundsatz zu genügen, sind die Parteien bisweilen auf umfangreiche Informationen angewiesen. Das Auskunftsrecht ist geeignet, dem Betroffenen, der gleichzeitig einer Partei in einem Zivilprozess angehört, wichtige Informationen zu verschaffen, die auch als Beweismittel Eingang in einen solchen Prozess finden können. Das liegt u. a. daran, dass mit dem eigentlichen Auskunftsrecht ein Recht auf Kopie der verarbeiteten personenbezogenen Daten einhergeht.

Ausforschung des Prozessgegners?

Wer sich im angelsächsischen common-law-System auskennt, wird schnell eine Parallele zum dort angewandten „discovery-Verfahren“ feststellen. Dieses Verfahren ist in den USA und Großbritannien elementarer Bestandteil von Zivilprozessen und zielt auf die bewusste Ausforschung des Prozessgegners im Vorfeld der gerichtlichen Verhandlung ab. Die Parteien haben sich gegenseitig alle für den Rechtsstreit relevanten Informationen und Dokumente zu übermitteln, was im Zuge der Digitalisierung mittlerweile auch Datenbanken, E-Mails und sonstige Dateien betrifft. Dem deutschen Zivilprozessrecht ist die Ausforschung des Prozessgegners jedoch fremd. Vielmehr gilt hier der Beibringungsgrundsatz, wonach die Parteien alle für ihre Position relevanten Tatsachen und Beweise selbst vorbringen müssen. Insbesondere ist ein sog. Ausforschungsbeweis, also ein Beweisantrag, der erst darauf abzielt, gewisse Informationen für eine darauf basierende Tatsachenbehauptung zu erhalten, unzulässig.

Keine unbeschränkte Pflicht zur Auskunftserteilung

Nun stellt sich jedoch die Frage, inwieweit der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch dazu genutzt werden kann, an Informationen zu gelangen, die der Betroffene für die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche benötigt. Zwar gilt das Auskunftsrecht zunächst bedingungslos, dennoch bestehen Grenzen.

Das Betroffenenrecht wird zum einen dadurch begrenzt, dass durch eine Herausgabe von Kopien nicht die Rechte und Freiheiten anderer Personen beeinträchtigt werden dürfen (Art. 15 Abs. 4 DSGVO). Dies ist z. B. einschlägig, wenn zur Erfüllung des Auskunftsrechts auch Informationen über Dritte herausgegeben werden müssten. Dem kann durch eine Schwärzung dieser Informationen entgegengewirkt werden. Hieraus folgt jedoch nicht, dass das Auskunftsrecht nicht zu Zwecken der Informationsbeschaffung im Zivilprozess verwendet werden darf. Auch dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) kann eine dahingehende Einschränkung nicht entnommen werden.

Für die Betroffenenrechte gelten allerdings weitere, allgemeine Grenzen (Art. 12 DSGVO). Insbesondere darf für die Auskunft entweder ein entsprechendes Entgelt verlangt oder die Auskunft vollständig verweigert werden, wenn es sich um einen exzessiven Auskunftsantrag handelt. Auch rechtsmissbräuchliche Anträge können hiervon erfasst sein, mit denen die betroffene Person den Verantwortlichen lediglich schikanieren will. Dass die Herausgabe von Kopien einen erheblichen Aufwand verursacht, genügt für sich genommen nicht, um einen Rechtsmissbrauch zu begründen. Wenn dazu aber noch die Absicht des Betroffenen kommt, die Auskunft gar nicht zur Geltendmachung seiner weiteren in der DSGVO geregelten Rechte zu nutzen, sondern er sich lediglich Informationen für einen konkreten Zivilprozess beschaffen will, kann ein exzessiver Antrag vorliegen und die Auskunft verweigert werden. Dies sind allerdings stets extreme Fälle, in denen der Missbrauch deutlich zu Tage tritt.

In der Rechtsprechung wurde mittlerweile mehrfach entschieden, dass Art. 15 DSGVO trotz – bzw. gerade wegen – seiner Bedingungslosigkeit dort begrenzt ist, wo der Betroffene offensichtlich datenschutzfremde Zwecke, also nicht die Geltendmachung weiterer Betroffenenrechte verfolgt. Dies hat der EuGH zeitnah zu entscheiden (EuGH, C-307/22, anhängig): In dieser Sache geht es um einen Patienten, der von seinem Arzt die Herausgabe einer unentgeltlichen Kopie seiner Patientenakte verlangt, um etwaige arzthaftungsrechtliche Ansprüche zu überprüfen. In den seit dem 20.04.2023 vorliegenden Schlussanträgen schlägt der Generalanwalt dem Gerichtshof allerdings eine weite, bedingungslose Auslegung des Auskunftsrechts vor, so dass hier nicht mit einer Einschränkung zu rechnen ist (in den meisten Fällen folgt der EuGH den Schlussanträgen).

Für die Praxis hoch relevant ist darüber hinaus eine weitere Frage, nämlich die nach der konkreten Reichweite des Rechts auf Kopie. Hierzu hat der EuGH jüngst in einem weiteren Verfahren eine restriktive Auslegung befürwortet (EuGH, Urt. v. 04.05.2023, C-487/21). In dem Verfahren hatte sich der EuGH mit der Frage auseinanderzusetzen, wie weit das Recht auf Herausgabe von Kopien eigentlich zu verstehen ist. Deutlich wird in der EuGH-Entscheidung, dass das Recht auf Kopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO kein Selbstzweck ist, sondern ausschließlich der Verständlichkeit der nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO zu gebenden Auskunft dienen soll und daher auch auf die dafür erforderlichen Dokumente beschränkt ist. Der Kläger hatte es in dem dem EuGH-Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalt als ungenügend erachtet, dass er lediglich eine Zusammenstellung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten erhalten hat, anstatt vollständige Dokumente zur Verfügung gestellt zu bekommen. In seinen Schlussanträge befürwortete der Generalanwalt eine überzeugend restriktive Auslegung, die der Gerichtshof nun bestätigte: Vorzulegen ist nur, was für ein Verständnis der Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO wirklich erforderlich ist. Eine Kopie müsse grundsätzlich nur die Daten beinhalten, die auch wirklich den Anspruchsteller betreffen. Es genüge für die Erfüllung des Anspruchs aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO daher u.U. auch eine Zusammenstellung der Daten. Im Einzelfall könne es trotzdem erforderlich sein, ganze Dokumente zur Verfügung zu stellen, falls sonst nicht gewährleistet ist, dass die Daten für den Betroffenen verständlich sind. Diese Auslegung führt auch dann zu einer Eingrenzung, wenn Dokumente für einen Prozess über Art. 15 DSGVO verlangt werden: Herauszugeben ist nur, was datenschutzrechtlich für das Verständnis der Auskunft überhaupt erforderlich ist.

Ausblick

Es bleibt festzuhalten, dass ein Auskunftsrecht durchaus in einem Zivilprozess eine Rolle spielen kann und zunächst ohne das Erfordernis weiterer Voraussetzungen zu erfüllen ist. In der Praxis wird dies auch zunehmend genutzt. Hinsichtlich des konkreten Umfangs und etwaiger Weigerungsrechte haben die ausstehenden Urteile aber das Potential, einige Konflikte in der Praxis zu lösen. Zum einen erhalten Verantwortliche dahingehend Rechtssicherheit, wie und in welchem Umfang sie Kopien verarbeiteter personenbezogener Daten herauszugeben haben. Zum anderen könnte klargestellt werden, wann sie die Auskunft sowie die Bereitstellung von Kopien entweder nur gegen Entgelt erbringen oder gänzlich verweigern dürfen. Das kommt vor allem in Betracht, wenn der Betroffene nicht (nur) die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung, sondern die bloße Informationsbeschaffung anstrebt. In jedem Fall gilt: Vorschnell sollten Auskünfte gerade bei anhängigen oder drohenden Gerichtsverfahren nicht erteilt werden.

Ausführlich aufbereitet haben wir all dies in unserem aktuellen Artikel „Der Auskunftsanspruch als discovery-Ersatz?“ in der RDi 2023, S. 232 ff. – Autorinnen Dr. Kristina Schreiber und Pauline Brinke