EuGH: Die erste Kopie geht aufs Haus

Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO hält nach wie vor Unternehmen sowie Gerichte auf Trapp. Nun hat der EuGH eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen, die sich ausführlich mit den Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs befasst und klarstellt, unter welchen Bedingungen dieser durch nationale Rechtsvorschriften eingeschränkt werden kann. 

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt ging es um einen Patienten, der bei einem Zahnarzt in Behandlung war und, da er einen Behandlungsfehler vermutete, um eine erste Kopie seiner Patientenakte bat. Der Zahnarzt wollte dieser Bitte nur nachkommen, wenn der Patient die Kosten hierfür übernimmt, wie dies im BGB vorgesehen ist (§ 630g Abs. 2 Satz 2 BGB). Nachdem der Patient Klage auf eine unentgeltliche Herausgabe der ersten Kopie der Patientenakte erhob, bekam dieser in der ersten und zweiten Instanz Recht. Der sodann mit der Revision befasste BGH war der Ansicht, dass es bei der Entscheidung darauf ankäme, wie die maßgeblichen Bestimmungen der DSGVO auszulegen seien und legte daher diesbezügliche Fragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Dieser hat nunmehr in seinem Urteil vom 26.10.2023 die vorgelegten Fragen beantwortet (Rs. C-307/22). Zu den Schlussanträgen berichteten wir bereits an dieser Stelle.

Voraussetzungen des Anspruchs auf eine kostenfreie Kopie

In einer ersten Frage wollte der BGH wissen, ob der Anspruch auf Herausgabe einer kostenfreien Kopie nach Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO auch dann bestehe, wenn der Betroffene die Kopie nicht zur Verfolgung einer der in Erwägungsgrund 63 der DSGVO näher bezeichneten Zwecke, sondern zur Verfolgung eines datenschutzfremden Zwecks herausverlangt (hier: Nachweis Behandlungsfehler).

Der EuGH sieht einen bedingungslosen Anspruch auf Kopie: Unternehmen müssen auch dann eine erste unentgeltliche Kopie nach Art. 15 DSGVO herausgeben, wenn das Auskunftsersuchen andere als die in Erwägungsgrund 63 genannten Ziele verfolgt.

Zur Begründung äußerte sich der EuGH im Wesentlichen wie folgt:

  1. Nur bei rechtsmissbräuchlicher Ausübung des Auskunftsrechts muss der Betroffene zahlen (Art. 12 DSGVO). Die Verfolgung anderer Ziele begründet noch keinen Rechtsmissbrauch.
  2. Das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO umfasst nach seinem Absatz 3 auch ein Recht auf kostenfreie Kopie. Dieser Anspruch besteht unabhängig von einer Begründung.
  3. Die Erwägungsgründe der DSGVO sind nicht rechtsverbindlich.

Abweichende nationale Regelungen?

Die DSGVO belässt in den ausgewiesenen Bereichen dem nationalen Gesetzgeber Gestaltungsspielräume. Dieser Spielraum kann nach dem EuGH auch durch Normen ausgefüllt werden, die bereits vor Inkrafttreten der DSGVO erlassen wurden. Voraussetzung ist aber auch dann, dass diese Regelungen den Rechten und Pflichten der DSGVO entsprechen, den Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten achten und verhältnismäßig sind.

Damit stünde eine Entgeltpflicht für die erste Kopie zu beauskunftender Daten nicht im Einklang. § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB erfülle diese Voraussetzungen nicht.

Der EuGH weicht hier von den Schlussanträgen ab – dies geschieht selten. Zur Begründung führt der EuGH u.a. an, dass § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB nicht dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen diene, sondern lediglich dem wirtschaftlichen Interesse des Verantwortlichen. Zudem stünde die Vorschrift dem Grundsatz der Unentgeltlichkeit der ersten Kopie diametral entgegen und sei daher nicht geeignet, den Anspruch auf eine erste unentgeltliche Kopie einzuschränken.

Fazit Das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO ist denkbar weit, einschließlich des Rechts auf Kopie. Dennoch ist im Einzelnen genau hinzusehen: Das Recht auf Kopie ergänzt den Auskunftsanspruch nach Absatz 1 und steht nicht losgelöst. In Kopie herauszugeben ist nur, was für das Verständnis der Auskunft nach Absatz 1 erforderlich ist, nicht alles, was der Betroffene begehrt. Wir berichteten dazu bereits ausführlich in unserer Mai-Ausgabe des Loschelder-Newsletters.

Team Datenschutz