In einer neuen Orientierungshilfe hat die Datenschutzkonferenz des Bundes und der Länder (DSK) ihre Leitlinien aus dem Jahr 2018 für die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung erneuert. Die wichtigsten Punkte stellen wir Ihnen dar.
Werbemailings, Telefonanrufe und auch die Briefwerbung haben eines gemeinsam: Sie ist besonders effektiv, wenn Personen direkt angesprochen werden. Dann geht mit der Werbung auch stets die Verarbeitung personenbezogener Daten einher. Diese ist bekanntlich nur erlaubt, wenn eine Rechtsgrundlage dies trägt – bei Werbemaßnahmen stellt sich dabei regelmäßig eine Frage: Taugen die berechtigten Interessen als Erlaubnis oder ist doch eine Einwilligung erforderlich?
In ihrer neuen Orientierungshilfe konkretisiert die DSK ihre Sicht auf eben diese Frage und aktualisiert damit ihre Leitlinien aus dem Jahr 2018 für die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung.
Direktwerbung …
Im Ausgangspunkt ist für alles weitere entscheidend, wann überhaupt von Werbung oder – noch konkreter „Direktwerbung“ gesprochen wird. Um dies gleich vorweg zu nehmen: Der Begriff ist denkbar weit. „Werbung“ ist nach gefestigter weiter Auffassung auch aus dem Wettbewerbsrecht jede Ansprache Dritter mit dem Zweck der Verkaufsförderung.
Die DSK definiert in ihrer neuen Orientierungshilfe nun erstmals den Begriff der „Direktwerbung“: Dies ist Werbung durch unmittelbare Ansprache der Zielperson in unterschiedlichster Form, z.B. postalisch, per E-Mail, Telefon, Fax oder SMS (so auch LG Stuttgart Urt. v. 25.2.2022 – 17 O 807/21 – BeckRS 2022, 4821). Ein bestehendes Kundenverhältnis zwischen den Parteien setzt eine „Direktwerbung“ nicht voraus. Auch Neukundenwerbung kann „Direktwerbung“ sein.
Der Begriff der „Direktwerbung“ ist datenschutzrechtlich wichtig, weil die DSGVO ein berechtigtes Interesse von Unternehmen an solch direkter, gezielter Werbung ausdrücklich als schutzwürdiges Interesse anerkennt (EG 47 Satz 7 DSGVO). Die neue Orientierungshilfe beschränk sich auf die „klassische“ Direktwerbung und klammert insbesondere Werbung durch Werbetrackingmaßnahmen im Internet aus, die Gegenstand ihrer OH Telemedien sind.
… aus berechtigten Interessen oder mit Einwilligung?
In der Praxis stellt sich für Werbemaßnahmen regelmäßig die Frage, ob diese ohne Einwilligung der betroffenen Personen zulässig sind. Dies ist dann der Fall, wenn berechtigte Interesse der Werbenden im Sinne von Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f DSGVO bestehen und diese nicht von gegenläufigen Interessen der Betroffenen überwogen werden.
Auch wenn hierfür grundsätzlich eine Einzelfallprüfung erforderlich ist, die u.a. auch die konkrete Ausgestaltung der Werbemaßnahmen in den Blick nimmt, gibt es grundsätzliche Leitplanken. Die DSK hat diese in ihrer neuen Orientierungshilfe mit einigen Beispielen illustriert:
- Zusendung von Werbung nach Bestellung
Wird im Nachgang zu einer Bestellung allen Kunden (d.h. ohne Selektion) postalisch Werbung zum Kauf vergleichbarer weiterer Produkte des Verantwortlichen zugesendet, ist dies in der Regel auch ohne Einwilligung zulässig. Das Gleiche gilt, wenn zwar aufgrund eines Selektionskriteriums (z.B. Postleitzahl oder Alphabet) eine Einteilung in Werbegruppen erfolgt, sich daraus aber kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn durch Individualisierung (Profiling) ergibt.
Das Interesse der betroffenen Person am Ausschluss der Datenverarbeitung wird hingegen regelmäßig überwiegen, wenn der Verantwortliche automatisierte Selektionsverfahren zur Erstellung detaillierter Profile, Verhaltensprognosen bzw. Analysen, die zu zusätzlichen Erkenntnissen führen, einsetzt (sog. Profiling). Solche Maßnahmen sind nur mit wirksamer Einwilligung zulässig.
- Kontaktwege: Post, E-Mail oder Telefon
Im Hinblick auf die Wahl der Kontaktwege folgt die datenschutzrechtliche Interessenabwägung nach wie vor den spezifischen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften (§ 7 UWG): Danach ist die postalische Werbung eher zulässig, während für E-Mails und Telefonanrufe eine Einwilligung benötigt wird.
Ausnahmsweise können auch Werbe-E-Mails ohne Einwilligung verschickt werden, wenn sie unmittelbar bei den betroffenen Personen im Rahmen einer Vertragsbeziehung (Bestandskunden) erhoben wurden und die Vorgaben des § 7 Abs. 3 UWG eingehalten werden.
Telefonanrufe sind dagegen bei Verbrauchern immer nur mit Einwilligung zulässig, im beruflichen Kontext können auch „mutmaßliche Einwilligungen“ im UWG-Duktus, datenschutzrechtlich also berechtigte Interessen eine taugliche Grundlage sein. Dafür soll allerdings, so die DSK in ihrer neuen Orientierungshilfe, eine bloße Sachbezogenheit nicht genügen. Es muss vielmehr laut DSK für den Anruf ein konkreter, aus dem Interessenbereich des Anzurufenden herzuleitender Grund vorliegen, z.B. ein geschäftlicher Vorkontakt.
- Datenerhebung anlässlich von Preisausschreiben, Katalog-/Prospektanforderungen
Die Verarbeitung von Postadressdaten aus der Durchführung von Preisausschreiben oder Katalog-/Prospektanforderungen zum Zweck der eigenen Direktwerbung ist nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f DSGVO oftmals zulässig. Notwendig ist dafür aber stets eine Vorab-Information, insbesondere dann, wenn die Daten zunächst nur für die Durchführung des Preisausschreibens erhoben wurden.
- Verwendung von Daten aus dem Impressum
Die werbliche Nutzung von Daten, die aus einem Online-Impressum entnommen wurden, ist unzulässig. Zwar handelt es sich um allgemein zugängliche Daten, doch werden diese nicht freiwillig, sondern aufgrund gesetzlicher Verpflichtung veröffentlicht.
- Beipack-Werbung
Wird einem Vertragspartner mit vertraglichen Informationen auch eigene oder fremde Werbung postalisch zugesandt, ist dies in den Grenzen von Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f DSGVO ohne Einwilligung möglich. Bei E-Mail-Werbung sind die Wertungen von § 7 Abs. 3 UWG zu beachten, allerdings gelten dessen Erleichterungen nicht für Fremdwerbung.
- Freundschafts- und Empfehlungswerbung
Die Direktwerbung an Postadressen, die Dritten dem werbenden Unternehmen übermitteln (z.B. durch Kundenbefragung oder „Tippgeber“), ist nach Ansicht der DSK regelmäßig unzulässig: Sie verstoße gegen die Grundsätze der fairen und transparenten Verarbeitung personenbezogener Daten. Ob dies in jedem Einzelfall überzeugt, ist indes fraglich und durchaus diskutabel.
Werbewiderspruch
Die Verantwortlichen müssen sicherstellen, dass betroffene Personen ihr Werbewiderspruchsrecht nach Art. 21 Abs. 2 DSGVO auf sämtlichen gegenüber ihnen verwendeten Kommunikationswegen effektiv und einfach geltend machen können. Der Verweis auf vorrangige Kontaktwege ist zwar zulässig, die Betroffenen dürfen aber nicht darauf beschränkt werden.
Wegen häufiger Irritationen bei Betroffenen darüber, dass sie ohne Einwilligung E-Mail-Werbung enthalten, empfiehlt die DSK einen deutlichen Hinweis auf die Möglichkeit von Werbung und das Widerspruchsrecht bereits bei Erhebung der E-Mail-Adresse, sowie die Ermöglichung einer sofortigen Ausübung desselben, z.B. durch eine Checkbox.
Widerspricht ein Betroffener, sind dessen Daten in einer Werbesperrdatei zu vermerken, um sicherzustellen, dass ihm im Rahmen der nächsten Kampagne nicht erneut Werbung zugeschickt wird.
Einwilligung
Selbstverständlich stets alternativ möglich ist eine Werbemaßnahme auf Basis einer wirksamen Einwilligung der angesprochenen Personen. Die DSK weist darauf hin, dass die DSGVO zwar keine spezifischen Vorgaben zur Dauer der Gültigkeit einer Einwilligung enthält, empfiehlt aber bei länger als zwei Jahre ungenutzten Einwilligungen eine Erneuerung der Information oder bestenfalls auch der Einwilligung selbst.
Weitere Pflichten
Jenseits der Frage der Rechtsgrundlage sind selbstverständlich auch die weiteren Pflichten der DSGVO zu beachten, insbesondere die allgemeinen Informations- und Nachweispflichten. Für telefonische Einwilligungen gilt auch im Datenschutzrecht die Nachweispflicht gem. § 7a UWG: Von Verbrauchern eingeholte Einwilligungen müssen für 5 Jahre nach der letzten Verwendung aufbewahrt werden.