Die EU-Digitalstrategie: Wie steuert Brüssel die Digitalisierung?

In der EU soll ein digitaler Binnenmarkt entstehen. Dies ist das erklärte Ziel der Kommission seit Verkündung der Digital-Strategie im Jahr 2015. Aber wie soll dies gelingen? Was sind die Schwerpunkte aus Brüssel?

Im Fokus stehen aktuell vor allem die großen Digital-Konzerne der GAFA-Gruppe (Google – Amazon – Facebook [ok, Meta jetzt, also doch eher GAMA] – Apple). Diesen werden weitreichende Pflichten auferlegt. Kleinere Unternehmen sollen davon profitieren.

Die Ziele der Kommission sind dabei klar formuliert:

  1. E-Commerce: Online-Zugang von Verbrauchern und Unternehmen zu Waren und Dienstleistungen verbessern.
  2. Digitale Netze und Dienste: Verbesserte Bedingungen für weiteres Wachstum.
  3. Digitale Wirtschaft: Optimierung  des Wachstumspotentials.

Bereits 2019 hat die Kommission hierzu die weitreichenden Neuregelungen für das Digitale Vertragsrecht geschaffen: Die Digitale Inhalte Richtlinie und die Warenverkaufsrichtlinie mit speziellen Regelungen für Verträge über digitale Produkte.

Einen Überblick dazu gibt es etwa hier:

https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:6821320222587269120/

Und bald auch in Papierform hier:

https://www.beck-shop.de/digitale-angebote/product/32378694

Aktuell stehen neue Rechtsakte auf der Agenda. Im Fokus haben sie die digitalen Plattform-Märkte:

Digital Markets Act: Regulierung der Gatekeeper

Mit dem Ende 2020 im Entwurf veröffentlichten Digital Markets Act (DMA) sollen digitale Plattform-Märkte reguliert werden. Der Verordnungsentwurf ist wettbewerbsrechtlicher Natur: Adressiert werden sog. Gatekeeper. Unter dem DMA sind das Online-Plattformen, die eine starke Vermittlerposition im Markt der digitalen Dienste haben. „Stark“ sind Anbieter mit besonders großer Nutzerbasis, z.B. große Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder Online-Vermittlungsdienste.

Profitieren von der erweiterten Regulierung werden die Unternehmen, die für ihre Kundenakquise auf die großen Anbieter angewiesen sind: Der DMA gewerbliche Nutzer, die auf die Gatekeeper angewiesen sind. Der DMA soll ein faires Umfeld auch zugunsten der Verbraucher schaffen, das nicht in unlauterer Art und Weise von den Gatekeepern dominiert wird.

Der DMA nutzt dafür unterschiedliche Instrumente. So dürfen Gatekeeper danach etwa eigene Produkte ggü. ähnlichen Produkten, die andere Unternehmer auf ihrer Plattform anbieten, nicht bevorzugen. Zudem dürfen Verbraucher nicht daran hindern, sich an Unternehmen außerhalb der Plattform zu wenden oder vorinstallierte Software oder Apps auf Wunsch zu deinstallieren. Sanktioniert werden Verstöße nach dem Verordnungsentwurf mit Bußgeldern von bis zu 10% des weltweiten Umsatzes der Plattform.

Digital Service Act: Transparente Vermittlungsdienste

Auch der Digital Service Act (DSA) soll den Markt für digitale Dienstleistungen regulieren. Neben den großen Plattformen adressiert der DSA auch alle sonstigen vermittelnden Online-Dienste. Das sind Online-Angebote, die Verbrauchern Waren, Dienstleistungen oder Inhalte vermitteln. Erfasst sind etwa Internetanbieter, Domänennamen-Registrierstellen, Hosting-Dienste und auch Online-Plattformen wie Online-Marktplätze, App-Stores, Plattformen der kollaborativen Wirtschaft oder Social-Media-Plattformen. Besonders große Online-Plattformen, die mehr als 10% der Verbraucher in der EU erreichen, werden spezifisch reguliert.

Der DAS soll für einen besseren Schutz für Verbraucher im Internet sorgen und mehr Transparenz schaffen. Dafür enthält der Verordnungsentwurf Instrumente, die die Entfernung illegaler Inhalte erleichtern und striktere behördliche Aufsichtsrechte (und -pflichten).

Generell verfolgt der Verordnungsentwurf ein abgestuftes Modell: Während einige Verpflichtungen, wie die Verpflichtungen zur Transparenz, Berücksichtigung der Grundrechte, Zusammenarbeit mit Behörden und Schaffung von Kontaktstellen, für alle Online-Vermittler gelten, treffen Plattformen und insb. sehr große Plattformen weitere Sonderpflichten, u.a. zu Beschwerde- und Rechtsbehelfsmechanismen, Maßnahmen gegen missbräuchliche Meldungen oder die Meldung von Straftaten.

Spezielle Transparenzregeln gelten für Plattformen, die Unternehmen und Verbraucher zusammenberingen, bereits seit Sommer 2020 nach der P2B-Verordnung. Diese verpflichtet zu diskriminierungsfreien Suchkriterien und einer transparenten Vertragsgestaltung, die die gewerblichen Anbieter schützt.

Data Act: Zugangsrechte zu Daten

Am Horizont zeichnet sich bereits der Entwurf eines Data Act – eines Datengesetzes – ab. Die Kommission will in den nächsten Wochen einen Entwurf für ein solches „Datengesetz“ veröffentlichen. Noch ist unklar, was der Inhalt genau sein wird. Die Erwartungen aber sind groß:

Zum einen sollen die gemeinwohlorientierte Nutzung von Daten erleichtert und Strukturen zur Organisation einer gemeinsamen Nutzung von Daten verbessert werden.

Zum anderen – und hier liegt deutlich mehr Sprengstoff in dem zu erwartenden Entwurf – soll der Gebrauch von Daten für bessere Innovationen vorangetrieben werden. Es geht um nicht weniger als eine neue, möglichst gerechte Allokation im Rahmen einer von Daten geprägten Ökonomie. Das gilt sowohl für personenbezogene als auch für nicht-personenbezogene Daten.

Unternehmen soll dafür ein Anreiz für die Gewährung dieses Zugriffs fehlt, soll der Data Act einen solchen begründen. Um das „Überholen und auf der Strecke liegen lassen“ kleinerer Unternehmen in der Digitalwirtschaft zu vermeiden, wird über spezifische Datenzugangs- und Nutzungsrechte nachgedacht. Dies umfasst etwa auch Maßnahmen, um Lock-In-Effekten entgegenzuwirken: Z.B. könnten Anbieter von Smart-Home-Anwendungen und Wearables dazu verpflichtet werden, Schnittstellen für Datenübertragungen in Echtzeit zu ermöglichen.

Data Governance Act

Der Data Governance Act (DGA) soll das Datengeschäft in der EU durch Regeln für die gemeinsame Datennutzung durch mehrere Unternehmen, die Weiterverwendung öffentlicher Daten und den Datenaltruismus fördern. Das Ziel der EU mit diesem Verordnungsentwurf könnte denn auch ambitionierter kaum sein: Der Data Governance Act soll die Hemmnisse für eine gut funktionierende Datenwirtschaft abbauen und einen EU-weiten Rechtsrahmen für den Zugang zu Daten und für deren Verwendung zu schaffen. Dieses Ziel ist von erheblicher Bedeutung, zum einen für die Entwicklung der Wirtschaft, aber auch für uns alle: Die von Daten vorangetriebene Innovation bringen enorme Vorteile in allen Lebensbereichen. Mehr dazu finden Sie unter

Und vieles mehr

Der heutige Blogartikel könnte noch um ein Vielfaches länger sein, wenn auch die weiteren Rechtsakte unter der EU-Digitalstrategie behandelt würden. Hervorzuheben ist aus den diversen Aktionen der Entwurf der Verordnung über Künstliche Intelligenz (KI-VO-Entwurf) aus April 2021. Die EU beabsichtigt, mit der Regulierung Künstlicher Intelligenz eine Vorreiterrolle einzunehmen. Trotz vieler Kritikmöglichkeiten am Entwurf ist dies der EU gelungen, wenn es gelingt, die Verordnung zeitnah auf den Weg zu bringen.

Angestrebt wird ein risikobasierter Ansatz:

  1. KI-Technologie, die eine Bedrohung für EU-Bürger darstellen, werden verboten (z.B. Sprachassistenten in Kinderspielzeuge, die Kinder zu riskantem Verhalten verleiten können, oder sog. behördliches Social Scoring).
  2. Für Einsatzbereiche mit hohem Risiko (z.B. kritische Infrastrukturen, Schulen) wird ein Höchstmaß an Transparenz, Test- und Zulassungsverpflichtungen vorgesehen (z.B. CE-Zertifizierung). Anbieter der Systeme müssen diese umfassend überwachen.
  3. Entsprechend geringere Anforderungen, sowohl hinsichtlich der Zulassung als auch hinsichtlich der Überwachung werden an KI-Systeme mit begrenztem (etwa Chatbots) oder minimalem Risiko (etwa KI-gestützte Videospiele oder Spamfilter) gestellt.